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Alt 13.08.2008, 15:55
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Eggl Eggl ist offline
Jäger
 
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Laubfrosch betet

Als Laubfrosch noch sehr jung war und nach Gott , dem großen Geheimnis fragte, sagte ihm sein Clan: ?Das große Geheimnis ist ein Märchen. Wir glauben nicht an Märchen. Wenn du älter bist und besser verstehst, dann kannst du selber entscheiden, ob du an dieses Märchen glauben willst?.
Als Laubfrosch älter wurde, traf er auf Gihsula, das Schaf. Schaf sprach. ?Komm mit mir, ich zeige dir Gott?. Laubfrosch ging mit Schaf. Sie trafen noch andere in einem Raum, die Laubfrosch nicht kannte und er fühlte sich fremd. Keiner unter ihnen hieß Gott. Sie sangen Lieder und aßen Kuchen. Dann setzten sich alle in einen Kreis und falteten die Hände. Gisuhla das Schaf begann zu sprechen: ?Ich habe gestritten, das war böse, vergib mir. Und bitte hilf mir besseres Gras zu finden, da auf meiner Weide immer weniger wächst, Amen?, dann sprach Hase: ?Ich habe mich beim hüpfen und rennen nicht genug angestrengt, das war falsch, vergib mir. Und hilf mir, damit ich der schnellste Hase der Welt werde, Amen?. Libelle sagte: ?Und mach, das Rotkehlchen wieder gesund wird und wieder zu uns zurück kommt, Amen?. Dann war Laubfrosch an der Reihe, aber er wusste nicht, was er sagen sollte, deshalb sagte er: ?Amen? und alle schienen mit ihm zufrieden zu sein.
Als er später mit Schaf zurück ging, fragte er Schaf: ?Konnte Gott heute nicht kommen??, Schaf sagte: ?Er war doch da, wir haben doch mit ihm gesprochen. Warum hast du nichts zu ihm gesagt??. Laubfrosch zuckte die Schultern.
Er begleitete Schaf nicht mehr in diesen Raum.
Als Laubfrosch älter wurde, gab es in seinem Clan ein großes Fest. Alle brachten Geschenke mit, die später verteilt werden sollten. Sie gingen gemeinsam in ein großes weißes Haus mit bunten Fenstern und einem hohen Turm. Dort saßen sie und hörten zu, wie ein Mann von Gott und dem Christkind erzählte. ? Na ,haben wir das auch wieder hinter uns gebracht? sprachen die Leute von seinem Clan. Als sie wieder zu Hause waren, wurden die Geschenke ausgepackt und auch Laubfrosch bekam ein wunderschönes Geschenk. ?Danke? rief er voll Freude seinem Clan zu, aber alle lachten und sagten: ?Das ist nicht von uns, bedank dich beim Christkind!?. Laubfrosch sah sich um, konnte aber niemanden sehen, außer seinen Clanmitgliedern.
Da hatte Laubfrosch zum ersten Mal das Gefühl, das mit ihm etwas nicht stimmt.
Seit dieser Zeit hatte er oft dieses Gefühl. Vor allem, wenn Gisuhla, das Schaf ihm erzählte, dass es heute wieder mit Gott gesprochen hätte und es deshalb glücklich sei.
Von nun an war Laubfrosch auf der Suche, obwohl er nicht wusste, was er suchte.
Laubfrosch ging oft in den Wald, um unter den alten Bäumen zu sitzen. Er schwamm in seinem Teich oder hüpfte über die Wiese und entdeckte immer wieder Neues und Schönes, was er vorher noch nicht bemerkt hatte. Diese Momente ließen sein Herz klingen und dann er fühlte sich gut und richtig.
Als Laubfrosch Karakarru, dem Kaninchen erzählte, welches Glück und welche Erfüllung er empfand, wenn er in den Wald ging oder sich an die alte Buche lehnte, da fing Kaninchen ganz aufgeregt zu rufen an: ?Das ist der falsche Weg, das ist Sünde! Du darfst nur Glück und Erfüllung finden, wenn du an Gott denkst. Wer den falschen Weg geht, findet keine Erlösung! Du bist in großer Not, ich werde für dich beten...?.
Von diesem Tag an waren Zweifel und Angst in Laubfroschs Leben eingekehrt. Wenn er nun an der Buche lehnte, fühlte sich sein Herz nur noch zur Hälfte gut, denn in seinen Ohren klang die Stimme von Kaninchen: ?Wer den falschen Weg geht, findet keine Erlösung!?.
Viele Jahre später, traf Laubfrosch Aru, den Adler. Zusammen mit anderen saßen sie im Wald am Feuer und Aru, der Adler sang Lieder und erzählte Geschichten. Wunderbare Geschichten, aus den Zeiten, als die Welt gerade erst erschaffen wurde und alle Menschen, alle Tier und alle Pflanzen in Clans zusammenlebten und eine gemeinsame Sprache hatten. Es waren Geschichten, die das Herz von Laubfrosch mit Freude erfüllten und es waren Lieder, bei denen er fühlte, dass sie hoch in den Himmel stiegen.
Am Feuer wurden auch die Speisen zubereitet und Aru, der Adler warf Tabak in die Flammen, um der Kraft des Feuers zu danken. Er streute Tabak auf die Erde, um der Kraft der Erde zu danken. Er breitete die Flügel aus und nahm einen tiefen Atemzug, und dankte der Kraft des Windes und er nahm einen Schuck aus seinem Becher und dankte der Kraft des Wassers. Nun sprach er ?Dank dem großen Geheimnis, das in allen Dingen wohnt?. Dann aßen alle gemeinsam.

Am nächsten Tag fragte Laubfrosch Adler: ?Wo ist Gott? Ich kann ihn nicht sehen und nicht zu ihm beten? .
Adler setzte sich mit Laubfrosch auf den Boden und gab ihm etwas Erde in die Hand: ?Hier? sagte er ?und hier? und zeigte auf die Bäume und den Himmel, auf den Bach und das Lagerfeuer. Er zeigte auf die Sonne, auf die Tiere und die Pflanzen ?und hier? sagte er und zeigte erst auf seines und dann auf das Herz von Laubfrosch. ?Das große Geheimnis ist überall. Du kannst es mit deinem Herzen wahrnehmen ? in der Schönheit der Blume, im Lied der Amsel, im Glitzern der Tränen, im Rauschen des Baches, in der Wärme des Feuers und in der Liebe zu allem was lebt?.
?Oh? sagte Laubfrosch.
Und Aru, der Adler sprach weiter: ? Beten ist der Klang, der aus der Dankbarkeit deines Herzes nach oben steigt. Diesem Klang leihst du deine Stimme und er wird zum Lied. Und jedes Lied, das du für den Baum, für die Spinne oder für die Liebe singst, ist ein Gebet an das große Geheimnis?.
?Oh? sagte Laubfrosch.
Und Aru, der Adler sprach weiter: ? Wenn dein Lied in den Himmel steigt, kommen Bussard, Falke oder ein anderer meiner Brüder und Schwestern, um es in den Himmel zu tragen. Und wenn sie eine Antwort zurückbringen, lassen sie sie als Feder zu Boden fallen. Wann immer du eine Feder findest, wirst du wissen, dass diese Feder eine Botschaft trägt.?
?Oh? sagte Laubfrosch. Dann fing er an zu singen. Er sang die Lieder, die er schon so lange in seinem Herzen trug und Freude, Erleichterung und Dankbarkeit quollen dabei als Tränen aus seinen Augen.
Laubfrosch sang drei Tage und Nächte und viele hörte man sagen: ?Schaut nur, wie lange Adler am Himmel kreist und wie hoch er hinaufsteigt!?.
Am Abend des dritten Tages lag vor Laubfroschs Füßen eine Adlerfeder. Ihre Botschaft war silbern und süß, sie klang wie Lachen und fühlte sich an wie weiches Moos. Alle Angst und aller Zweifel fielen von Laubfroschs Schultern, als er das große Geheimnis hörte: Liebe ist Erlösung!
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Leg ein Ohr an den Erdboden, dann ist das andere für den Himmel offen.
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