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Archiv verlassen und diese Seite im Standarddesign anzeigen : Bolivien 2: Caripuyo


Baschtl
28.12.2004, 22:00
Wenn der Himmel aus Postkarten besteht, sind die Reisebedingungen doch eher nebensaechlich, denke ich mir, waehrend ein Junge gerade auf den Fuss einer alten Frau kotzt. Ich stehe auf der Ladeflaeche in einem LKW, in dem jeder genau einen Fuss Platz hat. Die Sonne brennt unglaublich auf 4000m und das tut sie bereits seit 6 Stunden. Nach einem traditionellen Weihnachtsfest hatte ich Miriam in LA PAZ gefragt. Also, es gibt einen weiss-gruenen camion(LKW), der morgen um 08.00 in Oruro abfaehrt. Da muesste mein Bruder auch drauf sein. Nimm aber Wasser und Thunfisch und nen Schlafsack mit, sagte Sie. NA gut. Also nun stehe ich auf diesem Truck, ihr Bruder Roman steht weiter vorne und ich komme natuerlich nicht zu ihm. Trotzdem bin ich froh, weil das wirkliche Reisen meistens da anfaengt, wo der Lonely Planet aufhoert. Ich unterhalte mich mit einer Frau, die mich gleich einlaet in ihrem Haus die naechsten Tage zu verbringen. Der Horizont ist unglaublich weit und die Wolken sind schattenspendende Freunde. Eine unglaubliche Fahrt, Babys schreien, der LKW ist voll bis obenhin. Nur Berge, Wolken, Lamas und ein paar Bergdoerfer. Genauso wie Caripuyo. Ein kleines Dorf mit einem Telefon. Wir steigen aus, nachdem wir den Fluss mit dem LKW ueberquert haben. Ich sage Roman, das ich bei der Frau und ihrer Familie wohnen werde und das ist in Ordnung fuer ihn. Uebrigens spricht man hier nicht mehr viel Spanisch sondern Quechua, was die einheimische Sprache ist. Zum Abendbrot essen wir Reis, Kartoffeln, Huenchen und Chunyo(schnellgefrorene Kartoffeln). Am naechsten Tag gibt es natuerlich Fiesta, hier en la casa. Die Vorbereitungen laufen und der Innenhof wird ausgeraeuchert. Ausserdem wird die CHicha vorbereitet. Das Getraenk auf dem Land. Fermentiertes Maisbier. Schmeckt am Anfang unglaublich eklig, aber wenn man eingelden wird zu trinken, muss man trinken. Erst etwas auf den Boden schuetten, fuer Pachamama und dann selber trinken. SO geht es den ganzen Abend, getrunken wird aus (Achtung Thomas) getrockneten Kuerbisen. Musik gibts natuerlich auch. Bongo und Panfloete. Ein Riesenfest mit 100 Leuten,. die tanzen, trinken und singen ueber das Leben, den Fluss, der sie ernaehrt und ueber Chicha. Ich lasse die Zweifel und tauche ein in den Abend, tanzend und singend. Oh wie unglaublich ist die Intensitaet der Toene, der Stimmen, der Stimmung von Menschen, die das ganze Jahr hier leben und auf dem Feld arbeiten um essen zu koennen. Trotzdem reicht es nicht. Die hoechste Rate der Kindersterblichkeit in Bolivien. Der Fluss wird verdreckt, von Leuten, die die alten Minen wieder benutzen. Sie koennnen die Felder nicht mehr bewaessern. Sie fordern mich auf, dass meiner Fundacion vorzutragen. Ich verspreche es. Der naechtse Tag grosses Fussballspiel. Ich mache mit. Schiesse das erste Tor, wir gewinnen 2:1. Welche Freude und weiter gehts mit Fiesta, es ist Vollmond und Weihnachten und die Sterne sind unglaublich klar. Ich setze mich an den Fluss, hoere ihm zu und muss auch ein paar Traenen lassen, hier in Caripuyo.

P.S. Ich hoffe, dass viele Kinder und Menschen in Asien vor dem fast sicheren Tod gerettet werden koennen und bin mit meinen Gedanken bei allen Opfern. Ich war selber da letztes Jahr in Phuket. Ich finde diese Anzahl von Toten unfassbar und mein Geist prallt auf eine Mauer, wenn ich an all die Toten denke. Ich kann nichts wuenschen nur hoffen.

survival
10.01.2005, 09:07
Hallo Basti!

Danke für deine Reise Geschichten.
Ja, was in Asien passiert ist, ist unvorstellbar. Habe einen Artikel in der Zeitung gelesen, wo den Menschen in Asien aufgefallen ist, das KEINE Wildtiere, weder in Wasser (Wale, Haie, usw.) noch auf den Land (Elefanten, Giraffen, usw.) ums Leben gekommen sind. Die haben sich alle früh genug in Sicherheit gebracht. Nun versuchen Wissenschaftler den Grund dafür herauszufinden. Schönen Tag Thomas

Susanne
10.01.2005, 12:18
Hallo Basti!
Deine Reiseberichte berühren mich sehr. Danke.
Alles alles Liebe Susanne

Baschtl
10.01.2005, 20:54
Danke sehr,

ich denke, es ist eine gute Moeglichkeit ein Bild von diesem wunderbaren Land zu malen, das fast alles besitzt, ausser Anschluss zum Meer.
Zurzeit ist es politisch ziemlich heikel, da der Praesident seinen Ruecktritt angedroht hat, falls die derzeitigen Blockaden gewalttaetig werden. Der Verkehr vom Flughafen nach LA PAZ ist bereits unterbrochen.
Grund sind die Benzin- und Dieselpreiserhoeungen.
Mal schauen, was passiet.

CIAO BASTI

Berni
22.02.2005, 00:00
Hallo Basti!

Hatte entlich zeit mir deine Berichte in Ruhe durchzulesen.
Ich war zwar noch nie in Südamerika, kann mir deine Erfahrungen aber sehr gut vorstelln.
Es scheint als ob kein intensiv reisender von den schweren Gedanken einer Reise verschohnt bliebe und vermutlich gehört das auch so.
Zusätzlich treffn dich dann auch solche Nachrichten aus Asien einfach gewaltig, weil man einfach selten so im Jetzt leben kann und daher unverfälscht und echt wahrnimt!

Ich sehe das allumfassent als sehr gut, doch es schützt uns nicht dort wo wir schutz gewohnt sind und damit musste ich auch klar kommen.
Du wirst das sehr stark bei deiner Rückkehr spüren und damit vielleicht zu kämpfen haben.
So gings zumindestens mir, als ich nach 10 Monaten radln zuhause ankam und einfach mit vielen Dingen übervordert war.
Heute kenn ich das Gefühl immer noch und es zeigt mir, dass ich den Faden zum Jetzt nicht verloren habe obwohl es uns hier nicht leichtgemacht wird.

Ich freue mich für dich und das du dort sein kannst,
wünsche dir weiterhin alles gute
lg berni